Die Hufeisenrunde im Sarntal
Eine ruhige Alternative zu den Dolomiten
26.07.2017
Wenn man an Südtirol und ans Wandern denkt, denkt man unweigerlich an die Dolomiten, an Sexten, an die drei Zinnen, die Seiser Alm oder den Pragser Wildsee. Atemberaubende Aus- und Weitblicke sind hier garantiert. Vorausgesetzt man kommt bei schlechtem Wetter oder abseits der Hauptsaison. Andernfalls ist es schwierig hier draußen seine Ruhe in der Natur zu finden.
Biegt man aber, vom Brenner aus Norden herkommend, nicht nach links ab, sondern bleibt in Brixen und steigt dann in Richtung Westen in die Sarntaler Alpen auf, so ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, auf besonders viele Tagestouristen zu treffen.
In den Voralpen gilt ja häufig: Der schönste Gipfel ist der zweit- oder dritthöchste, weil der weniger besucht ist und man auch den schöneren Ausblick hat. Man kann ja den höchsten Gipfel von hier aus sehen. Was in den Voralpen aber für vereinzelte Gipfel gilt, kann man hier gleich auf ganze Gebirgszüge anwenden.
Bei sehr durchwachsenem Wetter sind wir also letztes Wochenende mit der Bahn nach Brixen gefahren und von dort aus gestartet. In etwa 4,5 Stunden ging es am ersten Tag hoch zur Radlseehütte. Die Radlseehütte liegt unterhalb des Königsanger und der Weg ist etwa 7,5Km lang und umfasst 1700 Höhenmeter. Die Hütte liegt direkt an einem kleinen See und man hat von der Terrasse einen schönen Ausblick in Richtung Schlern, Rosengarten und Sella-Gruppe.
Am zweiten Tag führt uns unserer Weg zur Flaggerscharten Hütte die auch Marburg-Siegener Hütte heißt. Der Weg ist etwa fünfzehn Kilometer lang und wartet mit guten 1000 Höhenmetern auf. Gleich zu Beginn gehen wir direkt hinter der Hütte auf dem Grat entlang auf den Königsanger und von dort weiter in Richtung Lorenzispitze und Kassianspitze zur Lorenzischarte. Beide Gipfel liegen aber nicht direkt auf dem Weg, so dass wir sie links und rechts liegen lassen. Der Weg heißt jetzt Durnholzer Höhenweg und hat die Nummer 13. Er schlängelt sich, über große grüne Weideflächen die von steinernen Mauern durchzogen sind, bis zur Pfannscharte und dann bis zum Tellerjoch. Am Tellerjoch kann man die Hütte für die nächste Nacht das erste Mal sehen. Ob man auf dem Normalweg zunächst ein paar Höhenmeter ab und dann wieder zur Flaggerscharte aufsteigen will oder ob man lieber auf dem luftigen Grat zur Jakobspitze auf 2742 Meter aufsteigen und dann auf der anderen Seite wieder herunter klettern will, muß man spätestens jetzt entscheiden. Der Grat ist nicht wahnsinnig schwierig, aber es ist auch kein normaler Wanderweg mehr und man sollte sowohl die Höhe mögen als auch keine Angst davor haben, auch ab und zu mal die Hände zur Hilfe zu nehmen.
Auch die Flaggerscharten Hütte liegt traumhaft schön zwischen den Gipfeln und direkt an einem Bergsee. Die Sonne scheint noch auf der Terrasse. Wir stellen die Rucksäcke ab und setzten uns in die Sonne. Jetzt werden wir Zeuge des seltsamen Services vor dem wir schon am Vorabend von zwei Frauen gewarnt worden waren: Erst kommt niemand an den Tisch obwohl wir längst bemerkt worden waren. Weder um uns zu begrüßen, noch um eine Bestellung aufzunehmen. Dann kommt eine Frau ohne eine Regung im Gesicht, stellt sich dicht an unseren Tisch und guckt uns an. Wieder kein Gruß, keine Frage, nichts.
Wir: "Wir würden gerne etwas trinken!"
Sie: "Was?".
Wir: "Was habt ihr denn?".
Sie: "Was wollt ihr?"
Wir: "Eine Spezi und eine Alkoholfreies Helles bitte."
Sie dreht sich wortlos um und geht.
Ähnlich gesprächig verläuft dann auch die Bestellung am Nebentisch und beim Abendessen geht es ebenfalls so weiter. Eine Dame am Nebentisch bemerkt: "Die freundlichste ist sie ja nicht gerade". Ich muss über den ironische Kommentar schmunzeln.
Am Morgen des nächsten Tages hängen die Wolken tief und es regnet in strömen. Trotzdem stehen wir früh auf, und gehen zum Frühstück um rechtzeitig fertig zu sein und uns im Zweifel in der ersten trockenen Minute auf den Weg machen zu können. Das Frühstück ist übersichtlich aber ok: Bircher Müsli, Brot Marmelade, dazu Tee oder Kaffee. Als wir fertig sind wird dann auch noch Aufschnitt angeboten, schade.
Nach dem Frühstück reißt es aber tatsächlich auf, die Sonne kommt raus und die Wolken halten sich nur an den Gipfeln und steilen Felswänden. Wir verlassen die Hütte und steigen den schmalen Pfad in Richtung Hörtlahner Spitze auf. Blickt man zurück hat man hier noch einmal einen tollen Blick auf die Hütte, den See und die Berge, die sich im Wasser spiegeln. Oben auf angekommen guckt man dann in ein grünes Hochtal. Nach rechts blickend schaut man den Grat entlang zum Gipfel Tagewaldhorns. Die steilen dunklen Felswände werden gerade von der tief stehenden Sonne angeschienen und das Gras im vor uns liegenden Kessel leuchtet hell grün. Ein kleiner Bach mäandert durch das Tal und einige Schafe grasen auf einem Hügel. Der Anblick erinnert mich spontan an Island oder Norwegen. Wir steigen ab um dann dem Weg, entlang des Baches durch den Talkessel zu folgen und auf der anderen Seite zur Traminer Scharte hochzusteigen. Wir wollen nach Grasstein um von dort den Bus nach Franzensfeste und dort den Zug nach München zu nehmen.
Vorerst folgen wir aber dem Weg Nummer 15 in Richtung Puntleider See. Der Weg ist sehr wenig begangen und die Markierungen verwittert. Ein paar Male finden wir den Weg nicht gleich auf Anhieb, schlußendlich kommen wir aber am See an und nehmen ein erfrischendes Bad. Im Anschluß gibt es Knödel mit Wildragout in der naheliegenden Puntleider Hütte. Zwei weiter Stunden später sitzen wir in Grasstein und warten auf den Bus.
Das Sarntal ist ein wirklich zu empfehlendes Wandergebiet. Man kann sich einige Tage am Stück dort aufhalten und sowohl grüne Weiden und mäßig steile Höhenwege finden, als auch auf ausgesetzten Graten Gipfel mit tollem Weitblick finden.